10Januar
2013

Tagebuch eines Zeltbewohners - Teil 5

Montag, 7.1.

Ich stand am frühen Morgen auf und musste leider feststellen, dass es regnete. Daher entschloss ich mich, erst zum Frühstück zu stiefeln und danach mein Zelt abzubauen, hoffend, dass der Regen bis dahin nachlassen würde. Ich hatte etwas Glück, denn innerhalb von 30 Minuten klarte es auf und ich konnte meine Behausung so verstauen, dass zumindest der Innenteil trocken blieb.

Einmal noch auf's Töpfchen und dann ging's auch schon los. Oder eher weiter, was den Regen anging. Da ich aber nicht noch länger rumtrödeln wollte, machte ich mich letztlich bei leichtem Regen auf den Weg Richtung Serón. Nach etwa einer halben Stunde wähnte ich das Glück auf meiner Seite, als der Regen nachließ und die Sonne spitzbübisch zwischen den Wolken hervorlugte. Voller Motivation watete ich weiter den Weg entlang, der aufgrund der jüngsten Niederschläge eine ziemlich cremige Konsistenz hatte, was ein allzu schnelles Vorankommen eher behinderte.

Nach einer guten Stunde - die Hälfte der Strecke nach Serón hatte ich wohl schon hinter mir - sah ich eine Gruppe Wanderer auf dem Weg stehen. Einer von ihnen schlich mir sogleich entgegen, mir mit den Händen signalisierend, ich möge stoppen. Als er meine Verwirrung bemerkte, flüsterte er mir nur "Puma" entgegen. Ich wurde darüber aufgeklärt, dass ein solcher es sich wohl direkt um die Ecke auf dem Weg gemütlich gemacht hätte und dass ein anderes Tier sich links des Weges am Hang befände, wobei bei diesem nicht klar sei, um was für eine Spezies es sich handele. Wir schlichen langsam zusammen weiter, nun in einer Gruppe von 5 Leuten. Während mindestens der nächsten halben Stunde hielt ich regelmäßig in alle Richtungen nach übergroßen Katzen Ausschau. Um das mal gleich vorwegzunehmen: Den Puma bekam ich nicht zu Gesicht. Ihm wird aber auch allgemein attestiert, ein enorm scheues Tier zu sein und zu fliehen, sobald Menschen in der Nähe sind. Wie dem auch sei, meine vier neuen Reisegenossen stellten sich dann als Brasilianer heraus, die ebenfalls noch bis nach Dickson laufen und in Serón Zwischenstopp machen wollten. Insbesondere bei den zahlreichen Flussüberquerungen im Tal um Serón herum war dann auch eine helfende Hand immer willkommen. Ein Malheur geschah dabei an einer provisorisch aus Ästen gebastelten Brücke. Beim Versuch, mir zu helfen und gleichzeitig die Balance auf einem Ast zu halten, rutschte einer der Brasilianer aus und landete direkt im Fluss, der freilich nicht tief war, aber immerhin seinen Rucksack und einen erheblichen Teil seiner Kleidung ordentlich einweichte. Mich zog er dabei so halb hinterher, wobei ich nur mit einem Fuß im Wasser landete.

Folglich war dann der restliche Weg eher ungemütlich. Außerdem wurde es recht windig und starker Regen setzte ein. Als wäre das der schlechten Nachrichten nicht schon genug gewesen, trafen wir etwas später auf etliche andere Wanderer, die uns entgegenkamen und berichteten, dass der Pass, welcher am übernächsten Tag hätte überquert werden müssen, aufgrund der schwierigen Witterungsbedingungen für mindestens 3 Tage geschlossen sei und wir bestenfalls bis zum Dickson-Refugio weiterlaufen könnten. Da wir ohnehin schon fast in Serón waren, beschlossen wir, zunächst bis dahin zu gehen und dort die Meinung der Camping-Platz-Crew einzuholen.

Von denen war nur ein gewisser Gabriel zugegen, den ich noch von meinem ersten Ausflug nach Serón kannte und der uns bestätigte, dass de facto die Backside nicht passiert werden könne, weil es auf dem Pass viel Schnee gegeben hätte, der bei den anstehenden Winden nicht sicher passiert werden könne. Die Brasilianer entschlossen sich dazu, zurückzukehren und stattdessen das "W" abzuklappern, für das man nicht über den Pass muss. Ich unternahm spontan die "Recycling-Untersuchung" in Serón, um das Marcela dann als Arbeitstag verkaufen zu können und meine freien Tage später zu nehmen. Nach etwa 20 Minuten machten wir uns also allesamt auf den Rückweg.

Tal um Serón herum, als der Regen nachlies. Der Typ mit der grünen Jacke bin ich. Zwischendrin gesehen: Ein Paar Schopfkarakaras, die hier nur Caranchos genannt werden. Nochmal die gleichen Biester Die vier Brasilianer

Während der Rückkehr - es regnete immer noch, wenngleich weniger stark - kamen mir Anna und Nicolas entgegen, die losgeschickt worden waren, um die "Untersuchung" vorzunehmen, die ich schon erledigt hatte. Daher kehrten auch sie spontan um und etwas später trafen wir dann auf Louise, Paul und Rebecca, die Wegmarkierungen setzten oder vielmehr im Schlamm eingruben. Mir wurde erklärt, dass sie alle zusammen etwa eine Stunde nach mir aufgebrochen waren, als kurz mal die Sonne zu sehen war und machten nun alle einen recht genervten Eindruck.

Relevant ist dann noch, das auf dem Rückweg mein linkes Knie anfing rumzuzicken. Es hatte während der vergangenen Wochen schon immer mal ein wenig geschmerzt, aber immer nur vorübergehend und ich hatte es auf die physische Belastung geschoben. Diesmal war es aber definitiv deutlicher als zuvor und hielt auch mehrere Stunden an, sodass ich mich am Abend dazu genötigt sah, Marcela zu konsultieren.

Nachdem sie die letzten Tage über immer einen recht genervten Eindruck gemacht hatte (da auch die anderen Freiwilligen regelmäßig nörgelten), schien sie recht gelassen zu sein und zeigte sich verständnisvoll für meine Anliegen, die freien Tage doch später zu nehmen und außerdem nach Puerto Natales zu gehen, um mal einen Mediziner zu Rate zu ziehen. Für letzteres wurde dann der Folgetag, der 8.1., auserkoren.

Dienstag, 8.1.

Im Verlaufe des Tages, ließ ich mir von Liron, dem Israeli, den Blandine irgendwo aufgegabelt hatte, dessen gegenwärtige Situation erklären. Offenbar konnte er mit Marcela einen Deal aushandeln und half bei uns daher für eine Woche aus. Folglich waren wir nunmehr de facto 10 Freiwillige, wobei Mica und Louise nicht zugegen waren. Sie hatten ihre freien Tage genommen, um den Pingo-Gletscher zu sehen und würden daher erst wieder am 11. auftauchen. Mit der restlichen Besatzung arbeiteten wir dann fast alle an den Verkleidungen für die neuen Container, denn das Mülltrennungsprogramm ohne zugehöriges Recycling hatte jetzt höchste Priorität. Nur die Einsätze bei Conaf und ein paar kleinere Nebentätigkeiten lagen noch an, sodass wir fast alle im Werkhof waren und Holzkästen bastelten.

Rebecca beim anpinseln des Holzes - Sie war da eigenen Angaben zu Folge geringfügig high von der Farbe, die man in dem kleinen deutlich riechen konnte. Hier sehen wir Blandine, Liron, Nicolas und Paul beim Schreinern Anna und Hanne beim Befüllen von EcoBricks mit irgendwelchen Papierabfällen.

Am Nachmittag durfte ich mich dann nach Puerto Natales absetzen. Einer der Fahrer (Nelson mit Namen) hatte wohl eine Ladung Müll aus dem Park abzutransportieren und würde am Folgetag zurückkehren. Da er ohnehin fuhr, nahm er mich in seinem Laster mit. Während der Fahrt ließ er meist sehr laut das Radio laufen und pfiff oder sang laut und falsch mit.

Puerto Natales selbst ist die nächste Stadt am Park und mit knapp 20.000 Einwohnern ein eher kleineres Kaliber. Allerdings gibt es da für die ganzen Parktouristen ausreichend Übernachtungsmöglichkeiten und ein Hospital um die wichtigsten medizinischen Fälle abzuhandeln. Ich kam schonmal probehalber im Hostel "Erratic Rock" unter, dass ich eigentlich erst nach meiner Zeit im Park besuchen wollte. Aber die Betreiber sind von den Voluntären immer begeistert und geben ordentlich Rabatt, weswegen ich schonmal vorzeitig vorbeikam. Die tolle Atmosphäre und der gute Rundum-Service machen es auch zu einem sehr empfehlenswerten Hostel.

Im Hostipal wurde mir nach einer kurzen Untersuchung mitgeteilt, dass ich es mit einer Sehnenentzündung zu tun hätte. Nichts allzu kritisches, aber mir wurden Medikamente und eine Bandage aufgeschwatzt. Vor allem aber hatte ich für die nächsten Tage ein Wander- und Trekkingverbot erhalten, weswegen ich die Backside wohl vergessen konnte.

Mittwoch, 9.1.

Nach Frühstück mit hausgemachtem Brot im "Erratic Rock" holte mich Nelson ab und es ging zurück zum Park, nur dass er diesmal noch lauter und falscher sang, als am Vortag.

Nach der Ankunft war Marcela nicht aufzufinden, sondern bloß Sara, die stellvertretend die Aufgaben verteilte, aber nicht wirklich wusste, was sie mich machen lassen sollte, sodass ich ein paar Kleinigkeiten (Wäsche waschen) erledigen konnte. Gegen 17:30 trafen wir uns dann alle und auch Marcela war zugegen. Es war schnell geklärt, dass ich meine freien Tage als Alternative in Punta Arenas verbringen würde und dies aufgrund der Busfahrpläne wohl nur zwischen dem 10. und 15. machen könnte. Später am Abend gab es dann noch ein ungewöhnliches Wetterphänomen. Es war enorm windig, um nicht von Sturm zu reden und selbst im Salon des Hotels konnte man sehen (!), wie das Wetter am Haus zerrte. Aber dennoch war es unglaublich warm, was einen vor allem überraschte, wenn man vom Salon nach draußen kam. Sich dann in das Zelt zu legen, war geradezu spannend, da ich mir nicht so ganz sicher war, ob es diesen Wind überstehen würde.

Donnerstag, 10.1.

Motiviert davon, dass mein Zelt noch da stand, wo ich es zuletzt aufgestellt hatte, ging es nach dem Frühstück zur Aushilfsarbeit bei CONAF. Da wir zu dritt anrückten (mit dabei waren noch Liron und Hanne), gab es nicht allzu viel zu tun. Nachdem wir zurückkamen, war ich hauptsächlich damit beschäftigt, mein Zelt abzubauen und in unserem Schuppen unterzubringen sowie mein restliches Zeug in den Rucksack zu stopfen.

Gegen 15:00 nahm ich dann den Bus nach Punta Arenas, d.h. ich kam gegen 20:00 dort an und quartierte mich im "Backpackers Paradies" ein. Für die freien Tage sind eher von Trägheit geprägte Tätigkeiten, wie in's Kino gehen, geplant. In jedem Falle kann ich das dann aber nicht mehr als Tagebuch eines Zeltbewohners verkaufen. Teil 6 gibt es dann wohl noch für die Tage vom 15.-17.