20Dezember
2012

Tagebuch eines Zeltbewohners - Teil 1

Donnerstag, 13.12.

Am 13.12. musste ich leider recht früh aufstehen und verpasste dadurch die vom Koch Luiz im Hostel zum Frühstück zubereiteten Eierkuchen. Eigentlich ja eine Schande, aber die Umstände ließen mir wohl keine Wahl. Eine streng geheime Kontaktperson, die eventuell nebenbei in einer Agentur für Freiwilligenarbeit in Chile arbeiten könnte, verriet mir nämlich, dass Abseits aller Haltestellen um 7 ein Rumpelbus von Punta Arenas aus über Puerto Natales zum Nationalpark Torres del Paine fahren würde.

So fand ich mich also lumpige 5½-Stunden später in einem Themenpark südpatagonischer Naturwunder wieder. Während der Fahrt gab es Guanacos zu bewundern, eine Tierart, die auf mysteriöse Art und Weise immer nur dann zu sehen ist, wenn man im Bus ist und zumeist auch nur dann, wenn man keine Kamera griffbereit hat oder die Scheibe stark beschlagen ist.

Nach der Ankunft gab es erstmal was zu futtern (die Küche hier sollte sich als zuverlässiger Zeitgenosse entpuppen) und ich durfte die Leute kennen lernen, mit denen ich hier die nächsten Wochen zu tun haben würde. Des Überblicks wegen sollen hier schon mal ein paar vorgestellt werden:

  • Marcela ist die Verantworliche bei AMA, der Organisation für die hier die Freiwilligen arbeiten
  • Louise aus Frankreich und England (sie besteht darauf, aus beiden Ländern zu kommen) und Mica (Kurzform für MIchaela) aus der Schweiz sind die anderen beiden Freiwilligen, die mit mir das Monatsprogramm bestreiten
  • Maguy und Marc, Laura und Phil sowie Melanie und Benoit sind drei Pärchen, die ein zweiwöchiges Freiwilligenprogramm bestreiten und gleichzeitig mit uns ihre letzten Tage hier bestreiten
  • Ein Kanadier namens Scott, der keine allzu wichtige Funktion zu haben scheint, der aber eine ziemliche Labertasche sein kann und den alle hier kennen.

Um gleich noch ein paar mehr Details anzubringen, die Situation im Park ist eine reichlich vertrackte, aufgrund der verschiedenen involvierten Organisationen. Das scheinen auch sämtlichen Personen, die hierherkommen - mich eingeschlossen - vorher nicht so genau zu wissen. Jedenfalls gibt es im Park einen privaten Teil, der strategisch geschickt die Hauptsehenswürdigkeit - die Torres - umgibt. Als Tourist kann einem das wohl egal sein, da man da ohne weiteres durchlaufen kann und nicht separat bezahlen muss, aber für mich sollte das einen ziemlichen Unterschied machen. Denn innerhalb des privaten Sektors haben die verschienden Firmen ein ziemlich verworrenes Zuständigkeitssystem und AMA ist eine davon, weswegen ich alle Tätigkeiten im Grunde nur im privaten Teil ausführen darf.

Als Beispiele für ein neues Projekt wurde uns 3 Neuankömmlingen dann das Recyclingsystem auf dem Werkhof vorgestellt. Im Park gibt es de facto eine Art Mülltrennung nach Dosen, Plastikflaschen und allem anderen, der Hauptsächlich vom Hotel und den Unterkünften (Refugios genannt) benötigt wird, da die Rucksacktouristen ihren Müll wieder mitnehmen sollen. Um das Ganze ein bisschen einfacher abtransportieren zu können, hat man sich nun eine Art Presse gekauft, die wir gleich mal ausprobieren dürften. Dazu durften wir dann zu viert in den Sammelbehälter klettern und die stinkenden Dosen und Büchsen in große Plastiksäcke füllen, da man die nur so in die Presse kriegt. Die Säcke mussten dann zugeschnürt und zischen Pappe geklemmt werden, bevor sie gestaucht werden konnten. Unter wahrscheinlich irrsinnigen Stromverbrauch und mit viel Hin- und Her (Pressen, Aufmachen, nächster Sack, verschnüren usw.) konnten wir dann den Dosen etwa 60% Volumen abknöpfen, was Marcela dann mit einem zufriedenen Blick und einem rhethorischen "¿Facil?" ("Leicht, oder?") einschätzte. In Anbetracht des Umstandes, das mir die 60% Ersparnis via Kompression bei hohlen Gegenständen ziemlich amrselig vorkam und 4 Leute fast eine Stunde dazu gebraucht hatten, kamen mir geringfügige Zweifel an der Effektivität des Systems, aber aus diplomatischen Gründen verkniff ich mir einen realistischen Kommentar.

Freitag, 14.12.

Nach einer recht frostigen Nacht in meinem Schildkrötenzelt war der zweite Tag dafür vorgesehen, ein paar der Resultate der Arbeit der anderen Freiwilligen auf den Pfaden zu sehen, und so ging es über einen reichlich großen Schlenker zu Fuß hinauf zu den Torres. Die Wege waren alle recht genau mit Steinen markiert, was die meisten Touristen wohl auch berücksichtigten und gut präparierte Schilder wiesen einem die auch so kaum zu verfehlende Richtung. Nachdem wir unterwegs im Refugio "Chileno" regenbedingt einen kleinen Zwischenstop einlegten, konnten wir sogar die Torres ("Türme") halbwegs wolkenfrei sehen, bevor wir uns auf den Rückweg machten.

Wenngleich ich ja sonst gerne nörgle oder kleinlich bin, muss ich zugeben, dass ich die Landschaft schilcht und ergreifend beeindruckend fand. Das gilt nicht nur für die Torres, sondern ebenso für den ganzen Weg dahin und vieles, was man von da aus sehen kann.

Des Abens saß ich dann erstmalig in der Lounge des hiesigen Nobel-Hotels, in der wir sozusagen Geduldet werden. Die Vorteile eines Abends dort liegen auf der Hand: Anders als in meinem Zelt gibt es Licht, Wärme, Steckdosen und eine Bibliothek. Eigentlich hätte ich dort ja gerne ein auf Spanisch geschriebenes Buch gelesen, aber sowas gab es tatsächlich nicht, sodass ich mich für die englische Ausgabe von Ken Follets "The man from St. Petersburg" entschied.

Zunächst versperren Wolken die Sicht (Der Typ mit dem Hut ist übrigens Benoit), doch...

Samstag, 15.12.

Vormittags durften wir (die meisten Freiwilligen unter Aufsicht von Marcela) uns alle auf den Weg zum Chileno-Camping-Platz machen, um dort Erosionsschutz zu betreiben. Da wir leider keine wirklichen Sachen dafür zur Hand hatten, lief es darauf hinaus, dass wir Steine hin- und herräumten. Wahlweise um den Weg zu markieren, der aber bereits haarsträubend leicht zu erkennen war, oder um damit direkt die Erosion zu blocken. Nicht nur mich beschlichen geringfügige Zweifel am Sinn und Zweck dieser Aktion, aber letztlich fanden sich erstmal alle mit dieser Beschäftigungstherapie ab.

Nachmittags durfte ich dann mehr oder minder im Alleingang beim Recycling helfen, was de facto hieß, dass ich das Prozedere mit den Dosen vom 13. mit einem Großteil des Containerinhalts machen durfte. Da ich zu diesem Zeitpunkt noch begründet annehmen konnte, dass dies eine sinnvolle Tätigkeit ist (gemessen am Vormittagsprogramm) ignorierte ich den Gestank und durfte 6 große Beutel voll gepresster Blechdosen erzeugen.

Sonntag, 16.12.

Vormittags durften Benoit, Marc und ich eine EcoBrick-Flasche (wer das nicht kennt, kann sich das hier durchlesen: http://www.ecobricks.com.au/) mit Halterung und Erklärungsflyer nach Chileno bringen. Da das Ganze schon zu einer Konsruktion verschwurbelt war, verstand ich nicht, wozu man dafür 3 Leute braucht, aber so konnte man sich beim Schleppen reinteilen. Oben angekommen durften wir außerdem die nicht funktionierenden Insektenfallen, die im Zuge eines anderen AMA-Projektes entstanden waren einsammeln. Dabei handelte es sich um Plastikflaschen mit Köder und stinkender Flüssigkeit, die in den Bäumen verteilt hingen. Da keiner genau wusste wo und wieviele das waren, hatte das was vom Ostereiersuchen.

Nachmittags machten sich fast alle Freiwilligen auf dem Weg zum Serón-Camp um unterwegs Orchideen zu photografieren. Wahrscheinlich gab es gerade nichts sinnvolleres zu tun oder so. Jedenfalls war die Landschaft auch hier echt schön, wenngleich man noch ziemlich viel des Schadens sehen konnte, den der große Brand von 2005 hier angerichtet hat. Im Verlaufe des Tages bin ich wohl insgesamt - je nach Karte - 30-40km gelatscht.

Am anderen Ende dieses idyllischen Tales liegt das Camp Séron.

Montag, 17.12.

Vormittags durfte ich erstmalig bei CONAF aushelfen. Das ist die Organisation, die den öffentlichen Teil des Parkes verwaltet. Unsere Aufgabe dabei ist aber übersichtlich. Morgens zwischen 10 und 11 kommen zumeist die Touristenbusse an, deren Insassen selbstredend instruiert werden müssen. Unser Teil dabei besteht dann lediglich darin, die Anweisungen auf englisch wiederzugeben, da die CONAF-Ranger dieser Sprache zumeist nur eingeschränkt mächtig sind. Außerdem darf man eventuelle Fragen der Touristen beantworten. Das ist alles in allem eine einfache Sache und die sinnvollste Tätigkeit, die ich hier bisher ausführen durfte.

Nachmittags probierte ich ein bisschen mit der Fräse rum, mit der AMA die Schilder beschriftet, die ausgehängt werden.

Dienstag, 18.12.

Für die 6 Alteingesessenen war es Zeit zu gehen, da sie ihre 15 Tage hier überstanden hatten. Zur Verabschiedung sollten wir uns alle bei CONAF einfinden. Leider verpassten Louise und Mica den Bus, da sie unvernüftiger Weise pünktlich an der richtigen Haltestelle standen, der Bus aber woanders abfuhr.

Nachmittags wurde uns verbliebenen 3 dann das jeweilige persönliche Projekt aufgedrückt, das sich Marcela aus den FIngern gesaugt hatte. Ich bekam gleich zwei ab, die ich beide für eingeschränkt sinnvoll hielt:

  • Aus den gestauchten Dosen sollte etwas sinnvolles, vorzugsweise Möbel gestaltet werden. Das Problem ist bloß, dass die kein Werkmaterial abgeben, sondern bloß stinkende Säcke voller Dosen waren. Hier musste ich also etwas improvisieren.
  • Marcela war mit der Facebook-Seite von AMA nicht zufrieden und trug mir auf, daran was zu drehen. Ohne weifel herrschte da auch Chaos, aber die erwartungsgemäß geringen Nutzerwahlen dieser Seite rechtfertigen dafür eigentlich kaum Aufwand.

Außerdem wurde uns gleich mal vorgesetzt, wann wir unsere ersten freien Tage nehmen sollten und was wir da machen sollten. Da Marcela sich einen Tag frei nahm und nicht wollte, dass wir während dessen rumlungern, sollten wir das sogenannte "W" abklappern - die bekannteste Route im Park. Wir konnten sie dann immerhin noch überreden, das um einen Tag auf eine etwas wetterfreundlichere Aussicht zu verschieben

Mittwoch, 19.12.

Vormittags bastelte ich an einem Schrottsessel, denn ich beschloss, darin die vermeintlich recycelten Dosen unterzubringen, in Ermangelung ausreichendem Werkzeugs und anderer Materialien kam ich aber nur langsam vorwärts. Nachmittags bastelteten wir dann alle Weihnachtsdeko.

Donnerstag, 20.12.

Ich durfte den ganzen Tag lang am Sessel rumschrauben. Der Lösungsansatz, den ich hatte, hatte allerdings mit Recycling definitiv nicht mehr viel zu tun. Vielmehr war es so, dass ich einen Stuhl baute und darin Müll verstecke. Eigentlich ja eine blöde Idee, aber da Marcela wohl nicht richtig zuwissen scheint, wie Recycling funktionieren sollte, findet sie die Ansätze gut. Die Aussicht auf die schöne Landschaft und die vielen zu beobachtenden Tiere (Fuchsbabys!) machen die blödsinnige Arbeit aber halbwegs wet.

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