Berichte von 12/2012

31Dezember
2012

Tagebuch eines Zeltbewohners - Teil 3

Montag, 24.12.

Vormittags durfte ich erneut bei CONAF aushelfen, was recht entspannt war, da nicht allzu viele Leute ankamen. Nachmittags durften wir dann Plätzchen bemalen. Aus mir unbegreiflichen Gründen machten die anderen nur irgendwelche bunten Schnörkel auf die Kekse, während ich direktgehend Motive wie einen Oktopus, eine Glühbirne, die Skat-Farben usw. drauf dekorierte. Allerdings muss man dazu sagen, dass ich in Folge dessen den geringsten Anteil fertiggestellter Kekse hatte.

Abends gab es dann ein sehr gutes Buffet zur Würdigung der Weihnacht. Die Kekse hingegen wurden noch nicht gereicht.

Dienstag, 25.12.

An diesem Tag war ich ziemlich lang damit beschäftigt, an den Stühlen aus Müll zu schrauben. Marcela hatte spontan verkündet, dass bis zum Jahresende mindestens drei davon fertig sein sollten, was schon recht knapp kalkuliert war. Hauptproblem war dabei, dass wir kaum Baumaterialien und nicht besonders viele Werkzeuge hatten. Alles Holz stammte quasi vom Sperrmüll und war daher meist vom Regen schon ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden. Außerdem gingen uns zusehend die Schrauben aus und auch bei den Nägeln sah's zusehends düster aus. Davon abgesehen hatten wir weder Lineal, noch rechten Winkel oder Wasserwaage, weswegen alles notwendigerweise ziemlich krumm und schief werden würde. Zur Entschädigung gab es dann später ausreichend Kekse, was meinem Groll gegen Marcelas ungünstiges Verhältnis von Konzept und praktischen Ideen zu realitätsfernen Vorstellungen und spontanen Beschlüssen erstmal besänftigte.

Abens durften wir dann alle mal den Lehrpfad ablaufen, zu dem es ein Infoblatt gibt, dass an keiner Stelle mit den Nummern im Pfad übereinstimmt aber mir immerhin die Namen der wichtigsten Pflanzen der Region beibrachte.

Mittwoch, 26.12.

Ein klassischer Tag zum arbeiten im Freien. Marcela, Sara und ich sollten den Weg nach Cuernos ablatschen und an den Gabelungen die Pfade für Pferde bzw. Personen mit entsprechenden Schildern markieren. Unglücklicher Weise wusste das aber nur Marcela vorher, weswegen die Schilder nicht fertig waren. Auch wenn ich das ziemlich blöde fand, brachen wir daher nur mit Werkzeug und den Pfosten auf. Das dann der Weg zweimal gelaufen werden müsste und das Annageln der Schilder an den Pfosten kniffliger ist, wenn die schon im Boden stecken, schien die anderen beiden nicht sonderlich zu stören. Letztlich kam es aber ohnehin nicht dazu, da wir unentwegt spontan halt machten, um mit Steinen am Weg rumzubasteln und wir letztlich von den 12 mitgenommenen Pfosten nur einen einzigen setzten.

Abends brachen die "Freiwillgen" dann mit Marcela eine DIskussion vom Zaum, über die Finanzen von AMA. Ein befriedigendes Ergebnis kam dabei aber leider nicht zustande.

Donnerstag, 27.12.

Obwohl bei den Schrottstühlen ja langsam die Zeit drängte, wurde mir ein weiterer Außeneinsatz aufgedrückt. Mit Sara und Louise sollten wir nach Serón laufen und die kaputten Schilder reparieren und Wegmarkierungen setzen. Das Wetter war uns nur halbwegs hold, aber es gab auch gute Nachrichten: Der lang für verschollen geglaubte Akku-Bohr-Schrauber war plötzlich in Marcelas Büro aufgetaucht und etliche neue Schrauben gab's auch. Als ich deren 6-kantige Köpfe begutachtete, wollte ich schon Zweifel anmelden (einen Schraubenzieher dafür gab's nicht), aber Sara versicherte mir, was wir einen Aufsatz für den Akku-Bohr-Schrauber hätten. Los ging es also...

Beim ersten Schild, das es zu richten galt, stellte sich dann natürlich heraus, dass wir den benötigten Aufsatz nicht besaßen. Louise latschte zurück um normale Schrauben zu suchen, während Sara einen Kumpel im sogenannten Ökocamp besuchte, welches sich in der Nähe befand.

Der restliche Tag war dann aber halbwegs erfolgreich. Viele kaputte Schilder konnte repariert oder ersetzt werden.

Eine erstaunliche Entdeckung machte ich dann am späten Abend auf dem Weg zum Zelt. Der Mond war so sensationell hell, das ich klar und deutlich meinen Schatten auf dem Boden sehen konnte. Ich denke nicht, dass mir der Mond schon einmal so sehr wie die Sonne vorkam - man konnte kaum direkt hinsehen, so hell war der.

Freitag, 28.12.

Nach 2 Tagen Außeneinsatz konnte/musste ich dann an den Sitzen weiterbasteln. Leider lief die Kompressionsmaschine nicht mehr, weil ihr Hydrauliköl fehlte, weswegen ich mir für die Stühle 2 und 3 ein anderes Konzept aus den Fingern saugen musste. Damit ich wenigstens etwas halbwegs Produktives währenddessen machte, setzte ich mal einen EcoBrick-Pfosten in unser Zeltlager.

Das Abendprogramm gestaltete sich von selbst. Scott war nach ein paar freien Tagen wieder da und berichtete in gewohnter Weise (d.h. ständig Superlative gebrauchend) von seinen Abenteuern und was man hier alles für Trails ablaufen müsste.

Samstag, 29.12.

Nachdem ich morgens eine Geburtstagsmail verschicken musste, war ich den ganzen Tag mit dem zweiten Stuhl beschäftigt, der auch fast fertig wurde. Allerdings ist die gesamte Konstuktion recht klapprig geworden, weswegen ich für den dritten wohl nochmal das Konzept überarbeiten müsste.

Sonntag, 30.12.

Der Regen in Strömen zwang mich dazu, irgendwo im Schuppen am dritten Stuhl zu arbeiten, der fast fertig wurde und sehr viel mehr aushält, als sein Vorgänger. Das war auch schon so das wichtigste vom Tage.

Montag, 31.12.

Vormittags konnte ich die letzten ausstehende Arbeiten an den drei Stühlen abschließen.

Nachmittags half ich dann Louise bei ihrem Krempel, die eine Art Box zusammenschustern musste und bei der das Zwischenergebnis wohl einen herausragenden Alptraum für jeden Schreiner abgegeben hätte.

Abends gab's erneut Buffet. Marcela war nicht zugegen, aber eine gewisse Leslie aus Santiago sollte uns spontan mit Anregungen beglücken, wie wir behilflich sein könnten. Ihr viel aber nur sowas wie Ausschank und Abwaschen ein. Da es ja regulären Küchendienst gibt, blieb uns das aber erspart und wir hatten einen freien Abend, wobei wir meist zusammen mit Scott rumrannten. Zwischen 10 und 11 konnten wir den Sonnenuntergang von einer Anhöhe aus beobachten, wo ich mal mit der HDR-Funktion meiner Kamera rumspielen konnte, was ziemlich beeindruckende aber auch etwas künstlich aussehende Bilder entstehen lässt.

Zum Jahreswechsel waren wir dann in der Hotelbar, vor deren Panoramafenster sich dann eine kurze Showeinlage abspielte. Feuerwerk ist im Nationalpark natürlich verboten, weswegen als Ersatz ein paar der Reiter spontan und mit Fackeln ausgestattet auf das Hotel zustürmten und mit ein paar Formationen ein echte Abwechslung zum gewohnten Neujahrsgeballer boten.

Feuerwerksersatz vor dem Hotel

Den späteren Abend verbrachten wir dann mit einigen Touristen und brutal überteuertem Wein auf einem Zeltplatz.

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23Dezember
2012

Tagebuch eines Zeltbewohners - Teil 2

Freitag, 21.12.

Heute begann für die drei Freiwilligen, zu denen ich mich mal auch zähle, die Urlaubszeit im Urlaub. Wir hatten drei Tage frei nehmen müssen, weil Marcela auch frei hatte und besorgt war, was alles geschehen könnte, wenn wir ohne ihre Aufsicht werkelten. Dem zum Trotz mussten wir vormittags noch allesamt bei CONAF aushelfen. Man könnte das jetzt Pragmatismus nennen, da wir dort ja ohnehin vorbeikommen mussten, um dem Bus zum Katamaran zu nehmen, der uns an unserem Ausgangspunkt aussezten würde.

Den konnten wir dann gegen 12:00 besteigen. Da wir im Park arbeiteten, konnten wir eine kostenlose Überfahrt aushandeln und die Aussicht genießen. Auf der anderen Seite angekommen erkundigten wir uns im Camp, nach den Kosten für etwaiges Zelten. Einen Rabatt hätten wir wohl erhalten, aber das wären trotzdem mal noch 5€ für den Zeltplatz gewesen und so entschlossen wir uns, mit Rucksack zum Gray-Gletscher aufzubrechen und dort zu lagern. Dabei durchschritten wir ein längliches Tal, das durch die Farbkontraste zwischen Bäumen und Bergen begeisterte. Da hier letztes Jahr ein großer Brand tobte, sind Teile jedoch geradezu schwarz, um durch die Felsen fühlt man sich daher gelegentlich so, als schliche man durch Mordor. Als der Gray-See in Sicht war, fielen uns sogleich die ersten Eisschollen auf, die darin trieben. Ein ziemlich bizarrer Anblick, inmitten der dortigen grünen Landschaft.

Das Gray-Camp, welches auch ein Refugio umfasst ist dann ein bisschen abseits des Gletschersees, aber mit dem Betreiber konnte wir kostenloses Zelten aushandeln. Auffällig war, dass die Gäste des Refugios (Betten und solides Dach überm Kopf und so) offenbar fast ausschließlich Deutsche oder Schweizer waren, während sich die anderen Nationen auf dem Zeltplatz einfanden.

In einem Ausflug ohne großes Gepäck waren dann noch zwei Aussichtspunkte auf den Gletscher drin.

Samstag, 22.12.

Nach einem knappen Frühstück ging es bei Regen wieder den Weg runter zur Anlegestelle des Katamarans, da dort die Tour weitergeht. Nach einer Stunde ließ dann auch der Regen nach, sodass wir bei schönem Wetter nach 3½-Stunden wieder beim Pehoe-See ankamen. Von hier ging es dann zwischen See und Paine Grande - mit mehr als 3000 Metern dem höchsten Berg des Gebietes - zum Camp Italiano im Valle Frances. Auch auf diesem Weg konnte man Schäden des letztjährigen Brandes sehen.

Nach der Überquerung einer Brücke und 2½ Stunden Fußmarsch kamen wir dann im Italiano-Camp an. Dieses befand sich mehr oder minder im Wald und da es vorher geregnet hatte, bot sich hier beim Auf- und späteren Abbauen des Zeltes die ideale Gelegenheit, dieses mal richtig einzusauen.

Nachdem das Zelt stand, ging es dann das Valle Frances hinauf. Wir liefen faktisch einmal um den Paine Grande herum und konnte nun seine Rückseite sehen, auf der es mehrere Berggletscher gab, die einen reißenden und unfassbar lauten (aufgrund vieler Wasserfälle) Fluss speisten. Außerdem gab es in den Bergen ständig Lawinen. Man konnte zwar (auch aufgrund der Wolken, die in den Bergen hingen) nicht viel sehen, aber die Geräusche waren unglaublich, wie sie durch das Tal auf unsere Seite hinüberdrangen.

Sonntag, 23.12.

Nachdem wir unsere dreckigen Zelte in die Rucksäcke stopfen konnten, ging es via Fuß die Berge entlang zu unserem Camp beim Hotel. Da wir die Torres schon gesehen hatten und uns dazu entschlossen, den erneuten Aufstieg dorthin auszulassen, war dieser Tag ein recht entspannter. Am Cuernos-Refugio, zu Füßen der Berge, die schon von der Katamaranfahrt aus zu sehen waren, war ein Zwischenstopp drin. Ein Tourist, den unseren Weg die letzten beiden Tage schon kreuzte, spendierte eine Runde original Sahne-Nuss-Schokolade.

Während eines großen Teils des Rückweges war der Himmel bewölkt. Gelegentlich klarte es auf, aber geregnet hat es nie.

Nach der Ankunft am Nachmittag genoss ich erstmal eine Dusche.

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20Dezember
2012

Tagebuch eines Zeltbewohners - Teil 1

Donnerstag, 13.12.

Am 13.12. musste ich leider recht früh aufstehen und verpasste dadurch die vom Koch Luiz im Hostel zum Frühstück zubereiteten Eierkuchen. Eigentlich ja eine Schande, aber die Umstände ließen mir wohl keine Wahl. Eine streng geheime Kontaktperson, die eventuell nebenbei in einer Agentur für Freiwilligenarbeit in Chile arbeiten könnte, verriet mir nämlich, dass Abseits aller Haltestellen um 7 ein Rumpelbus von Punta Arenas aus über Puerto Natales zum Nationalpark Torres del Paine fahren würde.

So fand ich mich also lumpige 5½-Stunden später in einem Themenpark südpatagonischer Naturwunder wieder. Während der Fahrt gab es Guanacos zu bewundern, eine Tierart, die auf mysteriöse Art und Weise immer nur dann zu sehen ist, wenn man im Bus ist und zumeist auch nur dann, wenn man keine Kamera griffbereit hat oder die Scheibe stark beschlagen ist.

Nach der Ankunft gab es erstmal was zu futtern (die Küche hier sollte sich als zuverlässiger Zeitgenosse entpuppen) und ich durfte die Leute kennen lernen, mit denen ich hier die nächsten Wochen zu tun haben würde. Des Überblicks wegen sollen hier schon mal ein paar vorgestellt werden:

  • Marcela ist die Verantworliche bei AMA, der Organisation für die hier die Freiwilligen arbeiten
  • Louise aus Frankreich und England (sie besteht darauf, aus beiden Ländern zu kommen) und Mica (Kurzform für MIchaela) aus der Schweiz sind die anderen beiden Freiwilligen, die mit mir das Monatsprogramm bestreiten
  • Maguy und Marc, Laura und Phil sowie Melanie und Benoit sind drei Pärchen, die ein zweiwöchiges Freiwilligenprogramm bestreiten und gleichzeitig mit uns ihre letzten Tage hier bestreiten
  • Ein Kanadier namens Scott, der keine allzu wichtige Funktion zu haben scheint, der aber eine ziemliche Labertasche sein kann und den alle hier kennen.

Um gleich noch ein paar mehr Details anzubringen, die Situation im Park ist eine reichlich vertrackte, aufgrund der verschiedenen involvierten Organisationen. Das scheinen auch sämtlichen Personen, die hierherkommen - mich eingeschlossen - vorher nicht so genau zu wissen. Jedenfalls gibt es im Park einen privaten Teil, der strategisch geschickt die Hauptsehenswürdigkeit - die Torres - umgibt. Als Tourist kann einem das wohl egal sein, da man da ohne weiteres durchlaufen kann und nicht separat bezahlen muss, aber für mich sollte das einen ziemlichen Unterschied machen. Denn innerhalb des privaten Sektors haben die verschienden Firmen ein ziemlich verworrenes Zuständigkeitssystem und AMA ist eine davon, weswegen ich alle Tätigkeiten im Grunde nur im privaten Teil ausführen darf.

Als Beispiele für ein neues Projekt wurde uns 3 Neuankömmlingen dann das Recyclingsystem auf dem Werkhof vorgestellt. Im Park gibt es de facto eine Art Mülltrennung nach Dosen, Plastikflaschen und allem anderen, der Hauptsächlich vom Hotel und den Unterkünften (Refugios genannt) benötigt wird, da die Rucksacktouristen ihren Müll wieder mitnehmen sollen. Um das Ganze ein bisschen einfacher abtransportieren zu können, hat man sich nun eine Art Presse gekauft, die wir gleich mal ausprobieren dürften. Dazu durften wir dann zu viert in den Sammelbehälter klettern und die stinkenden Dosen und Büchsen in große Plastiksäcke füllen, da man die nur so in die Presse kriegt. Die Säcke mussten dann zugeschnürt und zischen Pappe geklemmt werden, bevor sie gestaucht werden konnten. Unter wahrscheinlich irrsinnigen Stromverbrauch und mit viel Hin- und Her (Pressen, Aufmachen, nächster Sack, verschnüren usw.) konnten wir dann den Dosen etwa 60% Volumen abknöpfen, was Marcela dann mit einem zufriedenen Blick und einem rhethorischen "¿Facil?" ("Leicht, oder?") einschätzte. In Anbetracht des Umstandes, das mir die 60% Ersparnis via Kompression bei hohlen Gegenständen ziemlich amrselig vorkam und 4 Leute fast eine Stunde dazu gebraucht hatten, kamen mir geringfügige Zweifel an der Effektivität des Systems, aber aus diplomatischen Gründen verkniff ich mir einen realistischen Kommentar.

Freitag, 14.12.

Nach einer recht frostigen Nacht in meinem Schildkrötenzelt war der zweite Tag dafür vorgesehen, ein paar der Resultate der Arbeit der anderen Freiwilligen auf den Pfaden zu sehen, und so ging es über einen reichlich großen Schlenker zu Fuß hinauf zu den Torres. Die Wege waren alle recht genau mit Steinen markiert, was die meisten Touristen wohl auch berücksichtigten und gut präparierte Schilder wiesen einem die auch so kaum zu verfehlende Richtung. Nachdem wir unterwegs im Refugio "Chileno" regenbedingt einen kleinen Zwischenstop einlegten, konnten wir sogar die Torres ("Türme") halbwegs wolkenfrei sehen, bevor wir uns auf den Rückweg machten.

Wenngleich ich ja sonst gerne nörgle oder kleinlich bin, muss ich zugeben, dass ich die Landschaft schilcht und ergreifend beeindruckend fand. Das gilt nicht nur für die Torres, sondern ebenso für den ganzen Weg dahin und vieles, was man von da aus sehen kann.

Des Abens saß ich dann erstmalig in der Lounge des hiesigen Nobel-Hotels, in der wir sozusagen Geduldet werden. Die Vorteile eines Abends dort liegen auf der Hand: Anders als in meinem Zelt gibt es Licht, Wärme, Steckdosen und eine Bibliothek. Eigentlich hätte ich dort ja gerne ein auf Spanisch geschriebenes Buch gelesen, aber sowas gab es tatsächlich nicht, sodass ich mich für die englische Ausgabe von Ken Follets "The man from St. Petersburg" entschied.

Zunächst versperren Wolken die Sicht (Der Typ mit dem Hut ist übrigens Benoit), doch...

Samstag, 15.12.

Vormittags durften wir (die meisten Freiwilligen unter Aufsicht von Marcela) uns alle auf den Weg zum Chileno-Camping-Platz machen, um dort Erosionsschutz zu betreiben. Da wir leider keine wirklichen Sachen dafür zur Hand hatten, lief es darauf hinaus, dass wir Steine hin- und herräumten. Wahlweise um den Weg zu markieren, der aber bereits haarsträubend leicht zu erkennen war, oder um damit direkt die Erosion zu blocken. Nicht nur mich beschlichen geringfügige Zweifel am Sinn und Zweck dieser Aktion, aber letztlich fanden sich erstmal alle mit dieser Beschäftigungstherapie ab.

Nachmittags durfte ich dann mehr oder minder im Alleingang beim Recycling helfen, was de facto hieß, dass ich das Prozedere mit den Dosen vom 13. mit einem Großteil des Containerinhalts machen durfte. Da ich zu diesem Zeitpunkt noch begründet annehmen konnte, dass dies eine sinnvolle Tätigkeit ist (gemessen am Vormittagsprogramm) ignorierte ich den Gestank und durfte 6 große Beutel voll gepresster Blechdosen erzeugen.

Sonntag, 16.12.

Vormittags durften Benoit, Marc und ich eine EcoBrick-Flasche (wer das nicht kennt, kann sich das hier durchlesen: http://www.ecobricks.com.au/) mit Halterung und Erklärungsflyer nach Chileno bringen. Da das Ganze schon zu einer Konsruktion verschwurbelt war, verstand ich nicht, wozu man dafür 3 Leute braucht, aber so konnte man sich beim Schleppen reinteilen. Oben angekommen durften wir außerdem die nicht funktionierenden Insektenfallen, die im Zuge eines anderen AMA-Projektes entstanden waren einsammeln. Dabei handelte es sich um Plastikflaschen mit Köder und stinkender Flüssigkeit, die in den Bäumen verteilt hingen. Da keiner genau wusste wo und wieviele das waren, hatte das was vom Ostereiersuchen.

Nachmittags machten sich fast alle Freiwilligen auf dem Weg zum Serón-Camp um unterwegs Orchideen zu photografieren. Wahrscheinlich gab es gerade nichts sinnvolleres zu tun oder so. Jedenfalls war die Landschaft auch hier echt schön, wenngleich man noch ziemlich viel des Schadens sehen konnte, den der große Brand von 2005 hier angerichtet hat. Im Verlaufe des Tages bin ich wohl insgesamt - je nach Karte - 30-40km gelatscht.

Am anderen Ende dieses idyllischen Tales liegt das Camp Séron.

Montag, 17.12.

Vormittags durfte ich erstmalig bei CONAF aushelfen. Das ist die Organisation, die den öffentlichen Teil des Parkes verwaltet. Unsere Aufgabe dabei ist aber übersichtlich. Morgens zwischen 10 und 11 kommen zumeist die Touristenbusse an, deren Insassen selbstredend instruiert werden müssen. Unser Teil dabei besteht dann lediglich darin, die Anweisungen auf englisch wiederzugeben, da die CONAF-Ranger dieser Sprache zumeist nur eingeschränkt mächtig sind. Außerdem darf man eventuelle Fragen der Touristen beantworten. Das ist alles in allem eine einfache Sache und die sinnvollste Tätigkeit, die ich hier bisher ausführen durfte.

Nachmittags probierte ich ein bisschen mit der Fräse rum, mit der AMA die Schilder beschriftet, die ausgehängt werden.

Dienstag, 18.12.

Für die 6 Alteingesessenen war es Zeit zu gehen, da sie ihre 15 Tage hier überstanden hatten. Zur Verabschiedung sollten wir uns alle bei CONAF einfinden. Leider verpassten Louise und Mica den Bus, da sie unvernüftiger Weise pünktlich an der richtigen Haltestelle standen, der Bus aber woanders abfuhr.

Nachmittags wurde uns verbliebenen 3 dann das jeweilige persönliche Projekt aufgedrückt, das sich Marcela aus den FIngern gesaugt hatte. Ich bekam gleich zwei ab, die ich beide für eingeschränkt sinnvoll hielt:

  • Aus den gestauchten Dosen sollte etwas sinnvolles, vorzugsweise Möbel gestaltet werden. Das Problem ist bloß, dass die kein Werkmaterial abgeben, sondern bloß stinkende Säcke voller Dosen waren. Hier musste ich also etwas improvisieren.
  • Marcela war mit der Facebook-Seite von AMA nicht zufrieden und trug mir auf, daran was zu drehen. Ohne weifel herrschte da auch Chaos, aber die erwartungsgemäß geringen Nutzerwahlen dieser Seite rechtfertigen dafür eigentlich kaum Aufwand.

Außerdem wurde uns gleich mal vorgesetzt, wann wir unsere ersten freien Tage nehmen sollten und was wir da machen sollten. Da Marcela sich einen Tag frei nahm und nicht wollte, dass wir während dessen rumlungern, sollten wir das sogenannte "W" abklappern - die bekannteste Route im Park. Wir konnten sie dann immerhin noch überreden, das um einen Tag auf eine etwas wetterfreundlichere Aussicht zu verschieben

Mittwoch, 19.12.

Vormittags bastelte ich an einem Schrottsessel, denn ich beschloss, darin die vermeintlich recycelten Dosen unterzubringen, in Ermangelung ausreichendem Werkzeugs und anderer Materialien kam ich aber nur langsam vorwärts. Nachmittags bastelteten wir dann alle Weihnachtsdeko.

Donnerstag, 20.12.

Ich durfte den ganzen Tag lang am Sessel rumschrauben. Der Lösungsansatz, den ich hatte, hatte allerdings mit Recycling definitiv nicht mehr viel zu tun. Vielmehr war es so, dass ich einen Stuhl baute und darin Müll verstecke. Eigentlich ja eine blöde Idee, aber da Marcela wohl nicht richtig zuwissen scheint, wie Recycling funktionieren sollte, findet sie die Ansätze gut. Die Aussicht auf die schöne Landschaft und die vielen zu beobachtenden Tiere (Fuchsbabys!) machen die blödsinnige Arbeit aber halbwegs wet.

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13Dezember
2012

Feuerland

Ganz im Süden, kurz bevor die Welt zu Ende ist und ein großer weißer Pfropfen die Erde abschließt liegt ein Archipel namens Feuerland, dessen größte Insel mit gleichem Namen ich heute besuchte.

Das beginn mit einer 2½-stuendigen Überfahrt über die Magellanstrasse, bei der sogar gleich zu beginn Delphine zu sehen waren. Außerdem konnten Magellanpinguine beim Plantschen beobachtet werden, was dann doch nochmal was anderes ist, als das rumstehen an Land. Bei beiden ist es aber zugegebenermassen knifflig, die mit der Kamera ordnungsgemäß abzulichten, da die guten immer recht schnell abtauchen.

Auf Feuerland angekommen ging es dann erstmal in die kleine Stadt Porvenir, in welcher man sich im Regionalmuseum mit der Kultur der Selknam-Indianer beschäftigen konnten, die z.B. das Fest des Hain feierten, bei dem alle total abgefahrene Kostüme trugen und die Frauen nicht mitmachen und nur aus weiter Entfernung zusehen durften, damit sie dachten, Geister zu sehen. Folglich eine Kultur, von der wir uns einiges lernen können. Im Innenhof gab es einige Statuen, mit denen ich mir sinnlose Interaktionen nicht verkneifen konnte. Ansonsten ist Porvenir vom Stadtbild her mit Punta Arenas vergleichbar, nur eben kleiner.

Dann ging es im Bus zur "Bahia Inutil" (Nuzlose Bucht). Auf dem Weg dahin und auch auf den folgenden Fahrten bot sich die Gelegenheit die Landschaft zu bestaunen. Der Name Feuerland weckt dabei aber Erwartungen, die die hügelige, baumarme und insgesamt recht karge Insel nicht erfüllen kann. Tatsächlich befindet sich die Insel im Besitz von Schafen, die das Land im Wesentlichen unter sich aufgeteilt haben und nur andere Tiere und gelegentliche Touristen dulden. Städte oder eher Dörfer gibt's nur am Rand.

Hauptuntermieter sind Guanacos, die Stammform der Lamas, die ziemlich häufig auf der Insel anzutreffen sind und wahlweise grasen oder über die Zäume der Schafe hüpfen. Einmal durften wir (insgesamt eine 14-köpfige Touristenhorde) auch einen Fuchs erspähen, der aber aufgrund seiner Fellfarbe geradezu unsichtbar war.

In der Bucht selbst durften wir dann Königspinguine beobachten. Das sind die Grossen mit dem gelben Fleck, die sonst eigentlich in der Antarktis leben. Was genau die in die Gegend verschlagen hat, ist umstritten, aber die Art und Weise, wie sie da am Strand lagen oder in der Sonne rumlungerten, liess meines Erachtens nur einen Schluss zu: Die machen Sommerurlaub. Uns zur Seite stand dabei ein erfahrener Pinguinbeobachter,der Fragen wahlweise in spanisch oder englisch entgegennahm. Des Gerüchtes wegen, einige der Pinguine brüteten gerade, fragte daher eine Österreicherin interessiert und zu unser aller Begeisterung: "And when do the chicken come out?"

Ansonsten herrschte bei denen weniger Aktion, als bei den Magellanpinguinen, da sie sich noch weniger bewegten.

Könige beim Disput - wahrscheinlich Fragen der Thronfolge oder so

Aus unerfindlichen Gründen, machte unser Bus auf der Rücktour in einer ehemaligen Arbeitersiedlung namens Cerro Sombrero halt, die ich beschönigend ausgedrückt als hässlich bezeichnen möchte. Früher war auf der Insel die Ölindustrie recht groß und die Petrolkumpels durften in diesem Kaff hausen, was immerhin gut ausgestattet war. Mittlerweile juckt das aber keine mehr und die Ölfirmen halten die Siedlung nur am Leben in Erwartung weiterer Ölfunde in der Gegend.

Auf der Rückfahrt ging's dann an anderer Stelle über die Magellanstraße und da konnte ich sogar nochmal Delphine sehen, sogar eine andere Art. An der Straße standen dann auch noch einige Ñandús zum Ablichten bereit. Erfreulicherweise waren sogar Küken dabei, so dass die Tour fast was von einer Tierdokumentation hatte.

09Dezember
2012

Pinguine

Heute durfte ich das großartigste und beste auf dieser Erde nur Mögliche Erleben: Pinguine in natürlicher Umgebung beobachtenZwinkernd

Rund um Punta Arenas gibt es mehrere Kolonien, die während dieser Jahreszeit meistens mit dem Verhätscheln ihrer Jungen beschäftigt sind. Viele von ihnen befinden sich auf Inseln, aber es gibt auch eine namens Sena Otway, die nördlich der Stadt an einem Fjord liegt. Diese zu besichtigen, war mein heutiges Tageshighlight.

Nach 1½-Stunden Fahrzeit im Kleinbus kamen wir am Fjord an und es gab gleichmal Aufregung. Einigen der anderen Fahrgäste war von einer Reiseagentur der für die Fahrt ausgegebene Preis als Gesamtpreis angepriesen worden und nun waren sie schockiert, dass sie für den Eintritt noch separat bezahlen mussten. An ihrer Stelle hätte ich mich wohl auch auf den Schlips getreten gefühlt, aber mir war das im Hostel richtig erklärt worden.

Auf abgesteckten Pfaden konnte man da zu verschiedenen Aussichtspunkten klettern - einer direkt am Fjord, die anderen ein bisschen weiter Landeinwärts. Von dort aus, sowie von den Pfaden dazwischen konnte man dann den Pinguinen zuschauen.

Beim Schwimmen hat man sie sinniger Weise kaum gesehen, sondern bestenfalls, wie sie auf der Wasseroberflache treiben und sich die Wellen ins Gesicht klatschen lassen. Die Tätigkeiten an Land lassen sich grob in drei Hauptaktivitäten unterteilen:

  • Einfach nur rumstehen und gar nichts tun: So photogen die Genossen auch sind, für touristische Interessen ist das dann doch meistens uninteressant
  • Das Gefieder putzen: Dabei scheint wohl ziemlich viel Zeit drauf zu gehen und die Pinguine wirken dabei überaschend gelenkig
  • Rumwatscheln: Sicherlich das Highlight unter den Aktivitäten, da die Burschen dabei einen ziemlich ulkigen Eindruck hinterlassen. Sie sind auch nicht besonders scheu und kommen dabei recht nahe an die Menschen heran. Vor allem aber ist ihr Laufstil einfach herausragend elegant anzusehen. Unglaublich grazil wirkt es, wie sie immer die Plautze voran und mit nach hinten gestreckten "Armen" von einem Fuß auf den anderen Wackeln. Außerdem hüpfen sie ziemlich lustig, wenn das Terrain das erfordert.

Vor allem abseits des Strandes sieht das insgesamt recht kurios aus, da sich die Pinguine dann über die Wiesen verteilen und einen ziemlich surrealen Eindruck hinterlassen. Mir erschien das zumindest wie ein Magritte-Bild, bei dem eine klassische Weidelandschaft mit ordentlich Bergen in Hintergrund aus abstruser Motivation heraus mit ein paar Pinguinen versehen wurde.

Pinguine beim Spaziergang 

Auf der Rückfahrt durften wir von Auto aus noch ein paar Ñandús sehen. Dabei handelt es sich um Vögel, die wie Emus aussehen, aber ein gutes Stück kleiner sind. Außerdem fanden wir an der Straße ein leider überfahrenes Gürteltier. Es tat mir natürlich leid darum, aber photografiert habe ich es dann trotzdem, weil mir das schon äußerst exotisch vorkam. Ein Gürteltier habe ich bisher noch nicht einmal im Zoo gesehen.

08Dezember
2012

Punta Arenas

Am Samstag war es nach 5 Wochen in Santiago an der Zeit, dem warmen Klima die kalte Schulter zu zeigen und in subpolare Regionen aufzubrechen. Da ich bis zum Projektbeginn in Torres del Paine 5 Tage Zwischenzeit habe, entschied ich mich nach langen Überlegungen gegen die 3-tägige Busfahrt und für den einzigen bisher angedachten Inlandsflug. Das Ziel war klar: Punta Arenas erschien mir als südlichste Großstadt der Welt gerade so weit genug weg, um nicht so sehr das Gefühl zu haben, in einer europäischen Kulturkolonie zu leben.

Am Flughafen angekommen, durften wir vor dem Aussteigen ersteinmal fast eine Stunde im Flugzeug verbringen. Was das sollte, habe ich leider nicht erfahren, aber da das Flugzeug am Boden stehend stärker schaukelte, als während des gesamten Fluges, konnte ich mich schon mal auf das Wetter einstellen. Danach wurden dann alle in Kleinbusse verfrachtet, die uns ins Zentrum bringen sollten. In unserem Falle wies die Frisur des Fahrers diesen als einen sturmerfahrenen Zeitgenossen aus. Das war auch äußerst hilfreich, denn während der Fahrt musste er schon ganz ordentlich am Lenkrad zerren, um den Bus auf der geraden Straße zu halten.

Die Stadt selbst, erscheint einem, wenn man durchläuft, ungemein klein, da man zumeist keine weitreichende Aussicht hat. Das liegt daran, dass ein Großteil der Häuser gleichflach ist - 2-Geschosser sind zumeist schon die größeren Gebäude. Dafür wirken aber alle Gebäude so, als ob sie sich gerade zu am Boden festhalten würden, um nicht vom Wind weggeblasen zu werden. Die Gesamtatmosphäre wird dadurch abgerundet, dass die Stadt wie ausgestorben wirkt. Auf den Straßen sind nur wenige Menschen unterwegs - nur die üblichen Hunde sind zu sehen. Gleichzeitig stehen Unmengen von verfallenen Häusern und Autos in der Stadt. Tatsächlich war Punta Arenas früher mal eine ziemlich wohlhabende Stadt, der aber die Eröffnung des Panama-Kanals nicht gut bekonnen ist, da seit dem ein großer Teil des internationalen Schiffsverkehrs nicht mehr durch die Magellanstraße und damit an Punta Arenas vorbeifährt. Die Rückgehende Bedeutung von Goldabbau und Schafzucht hier haben diesen Trend fortbestehen lassen.

Die Verbliebenen Einwohnener scheinen ziemlich stark von Routisten abhängig zu sein und folgerichtig gibt es zahlreiche Hotels und Hostels sowie Reiseagenturen, die Touren nach Torres del Paine, Feuerland, zu Pinguinkolonien oder zum auf Wale warten anbieten. Zu den wenigen innerstädtischen Sehenswürdigkeiten zählen der zentrale Platz und der Friedhof. Auf ersterem Steht eine Denkmal von Magellan, zu dessen Füßen ein Ureinwohner verewig wurde. Angeblich kehrt hierher zurück, wer dessen Zeh berührt. Am Friedhof hingegen kann man die kulturellen Einflüsse der zahlreichen Einwanderer sehr gut erkennen.

Am Sonntag durfte ich dann zeuge einer Art von Stadtfest werden, das Militärparade und Trachtenumzug umfasste und in einer großen Vorführung der Cueca, dem chilenischen Nationaltanz endete. Selbstverständlich wurde auch extra die Flagge gehisst, aber das wurde genauso wie der Aufzug vom Wind reichlich erschwert.

03Dezember
2012

Ein Eintrag ins Buch der Geschichten aus einer Welt, die lieber ein Dorf sein wollte

Wie ja hinlänglich bekannt ist, ordnen führende Taxonomen den Menschen der Gruppe der Gewohnheitstiere zu. Da auch ich da keine vollständige Ausßnahme bin, gehe ich hier in Santiago einigen Tätigkeiten nach, die auch schon in Deutschland für mich typisch waren. Eine davon war das Besuchen des spanischen Stammtisches - eine herausragende Gelegenheit, meine Wald-und-Wiesen-Grammatik regelmäßig ein paar Muttersprachlern um die Ohren zu stottern.

Leider hat sich das Wort Stammtisch in Chile nicht so richtig durchgesetzt, weswegen sich das hier formell Poliglota nennt, aber die Idee ist ähnlich. Jeden Montag treffen wir (eine Gruppe in variierender Besetzung) uns in einer Bar um so eine Art Strachaustausch zu betreiben. Gesprochen wird auf Deutsch oder Spanisch und die meisten Teilnehmer sind Chilenen, die ihre Deutsch üben oder auffrischen wollen. Das führt mitunter zu sehr eigenartigen Beispielen. So war es letzte Woche so, dass der Organisator eine Art Karaoke-Abend daraus machen wollte, bei der für sein Verständnis typisch deutsche Lieder gesungen werden. Normalerweise habe ich ja eine tiefwurzelnde Abneigung gegenüber Schlagern aus den 60er und 70er Jahren, aber ich muss zugeben, dass es halbwegs witzig ist, wenn Chilenen dazu singen.

Der Fairness halber muss auch gesagt werden, dass ein paar weniger abschreckende Lieder, beispielsweise von Die Ärzte oder Die Toten Hosen zu hören waren und glücklicher Weise musste ich kein Tokio Hotel ertragen, welche hier aus mir unbekannten Gründen enorm bekannt sind.

Im Grunde genommen war etwas Ähnliches auch für gestern geplant gewesen, aber da wir nur wenige Leute waren, hielten sich die Gesangseinlagen in Grenzen.

Dafür aber war ein Kolumbianer namens Edward zu gegen, den ich tatsächlich aus Jena kenne und der dort auch gelegentlich den Stammtisch besuchte. Edward ist Physiker und aufgrund der herausragend greifenden Maßnahmen zur Integration ausländischer Fachkräfte musste er leider aus Deutschland abreisen. Dafür unterrichtet er jetzt in seinem Fachgebiet an der Universidad Catolica in Santiago de Chile, was mir dieses unerwartete Wiedersehen bescherte.

Da ich in Stochastik nie genau aufgepasst habe, kann ich nicht sagen, wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ein solcher Zufall ist, aber zumindest erscheint er mir unwahrscheinlich genug, dass ich die Floskel bemühen muss, die da besagt, dass die Welt doch ein Dorf ist.

Für Freitag ist schon die Stammtischverabschiedung geplant - das nur für den Fall, dass sich jemand entschließen sollte, spontan vorbeizuschauen.

01Dezember
2012

La Serena

Während der vergangenen zwei Wochen hatte ich immer mal versucht auf Pablo, einen Reiseorganisator, der regelmäßig seine Kundschaft unter den Schülern sucht, einzureden und ihn zu einer organisierten Tour nach La Serena zu überreden. Allerdings ließ er sicht leider nicht darauf ein, so dass ich mich selbst darum kümmern musste. Da die besagte Stadt - die immer mit Artikel angesprochen werden muss - recht weit im Norden liegt und die 6,5 Stunden Hinfahrt es für einen Tagesausflug nicht sonderlich interessant machen, saß ich bereits am freitäglichen Nachmittag im Bus und durfte die interessante aber wenig abwechslungsreiche Landschaft an der Panamericana anstarren. Das kann man dann ungefähr so beschreiben:

Steppe mit Kakteenwäldern auf recht hügeligem Terrain

Gelegentlich hielten wir mitten in der Pampa an einem Bretterverschlag an, damit eine Backwarenfachverkäuferin zusteigen und ihrer hauptberuflichen Tätigkeit lautstark nachgehen konnte. 10 Minuten später hielten wir dann erneut, um sie wieder abzusetzen.

Ich kam floglich recht spät in La Serena an und machte mich zunächst auf die Suche nach einem Hostel. 23:30 checkte ich dann erfolgreich im "Aji Verde" ("grüner Chili") ein. Besonders voll war das nicht, um so hatte ich ein 4-Mann-Zimmer für mich alleine. Überhaupt bestach das Hostel vor allem durch seine Raumaufteilung inklusive einer Terrasse, von der aus man eine schöne Übersicht über die Stadt hatte.

Am Samstag erkundete ich dann ahuptsächlich die Innenstadt und den nahe gelegenen Strand. La Serena ist eine der ältesten Städte des Landes und verfügt über viele Gebäude im Kolonialstil, was das Stadtbild recht interessant macht. Nur in Strandnähe setzt sich zusehends Bauten im international renommierten aber mir persönlich nicht zusagenden Beton-Klotz-Stil durch. Das ist schade, denn der Strand an sich ist an und für sich ganz hübsch. Es gibt keine bzw. kaum Steine sondern bloß feinkörnigen Sand und unmengen von Muscheln. Wasser gibt's übrigens auch.

         

In der Stadt war recht viel los wegen einer sehr populären Wohltätigkeitsaktion namens "Peleton" die mit Konzerten und Fernsehprogramm zum gefühlten Seelenheil der chilenischen Mittel- und Oberschicht beiträgt.

Gemeinsamkeiten mit Santiago sind im Wesentlichen die vielen rumlungernden Köter und die ganzen Stromleitungsmasten, die dem Stadtbild doch einen etwas eigenartigen Charme bescheren. Später am Samstag gab's dann so eine Art Pub-Crawl, bei der mir weder Jacke noch Handy geklaut wurden. Dafür aber waren wir in einer Bar, die eigentlich mit Classic-Rock warb, in der dann aber ausschließlich ziemlich neues und meist recht brutales Death-Metal-Geschranze zu hören war.

Am Sonntag besichtigte ich dann Stadtteile in Zentrumsnähe, die mir am Samstag noch durch die Lappen gegangen waren. Zum Beispiel einen japanischen Garten, der erfolgreich zahlreiche Klischees bediente. Allerdings muss ich festhalten, dass hier die Verantworlichen wohl nicht bei den klassischen japanischen Landsschafts- und Gartendesigndokumentationen aufgepasst haben, die früher immer im DSF zu sehen waren. So fehlten zum Beispiel riesengroße, sich drehende Rollen, mittels derer man ein Matschbecken überqueren muss. Auch bei den zahlreichen Brücken und Steinen, die übers Wasser führten, waren die lächerlich gekleideten Personen vergessen worden, die einen mit Styroporkugeln beschossen. Es gab nichtmal ein großes Schloss, auf dessen Vorplatz man sich - in Elektroautos fahrend - eine Wasserspritzpistolenschlacht hätte liefern können. Der Garten ist folglich nur bedingt empfehlenswert.

Nachwuchsgoldfischdompteur bei der Arbeit

Außerdem besuchte ich versehentlich einen Gottesdienst einer christlichen Splittergruppe, die nichtsahnende Passanten mit einer kostenlosen Liveband köderten.

 

Des Weiteren durfte ich sehen, wie ein Dinamo genannter Verein - irritierende Weise in rot-weißen Trikots - auf einem Bolzplatz außerhalb des städtischen Stadions kickte.

Gegen 16:00 ging's dann auch schon wieder auf die Rückfahrt. Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, einen Ausflug ins Nahe gelegene Valle Elqui zu machen, aber dazu hätte ich wohl vorher einen straffen Zeitplan machen müssen, weswegen das ausblieb.