31März
2013

Die Silbermine von Potosí

Im südlichen Zentralbolivien auf etwa 4000m Höhe liegt die Minenstadt Potosí.

Einst stand ihr Name sinnbildlich für unglaublichen Reichtum. Es gibt im spanischen sogar die Redewendung "Das ist Potosí wert", welche für sehr wertvolle Dinge benutzt wird. Angeblich haben hier schon die Inka Silber abgebaut. Das die Spanier es getan haben, ist hingegen sicher und der daraus resultierende Reichtum hat der Stadt ein ziemlich schickes Zentrum im kolonialstil beschert.

Allerdings haben sie in den Minen auch ein paar Millionen Sklaven umkommen lassen. Diese Zeiten sind vorbei und ebenso der Reichtum, da die Silbervorkommen nicht mehr so üppig sind und das zusätzlich gewonnenen Zinn das nicht ausgleicht. Die Arbeitsbedingungen in den Minen sind aber dennoch haarsträubende. Allen, die sich über den Stress und die Arbeitsbedingungen in Deutschland aufregen, lege ich einen Besuch dieser Minen nahe.

Zunächst einmal ist es so, dass die Arbeiter - in kleinen Gruppen organisiert - unabhängig sind. Sie zahlen keine Steuern und haben keinerlei Versicherung oder etwas vergleichbares. Wenn ihnen was passiert, haben sie eben Pech gehabt. Zum Ausgleich gibt es jede Menge Rituale und viel Aberglaube.

Da wäre zum einen "El Tio" der hier so eine Art Teufel ist und dessen "Statue" an einigen Stellen steht. Der ist oft ziemlich bunt dekoriert und ihm werden zahlreiche Opfer zur Besänftigung dargebracht, insbesondere Hochprozentiges und Koka-Blätter.

Als Gegenstück gibt es einen Stollen, in dem es einen kleinen Jesus-Schrein gibt. Auch ihm werden regelmäßig Opfer gebracht, z.B. 2x im Jahr ein Lama. Von Ihm erbittet man sich Schutz. In diesem Stollen darf dann auch getrunken und geraucht, sowie über Unfälle gesprochen werden, was andernorts Unglück brächte.

Ansonsten halten die meisten Arbeiter es den ganzen Tag lang in den Minen wohl nur aus, weil sie andauernd besoffen sind und den ständig Kokablätter im Mund haben. Die Besucher müssen entsprechend mithelfen und vorher auf dem Markt ein paar Geschenke für die Minenarbeiter kaufen, was in allererster Linie Gesöff umfasst. Dabei besonders beliebt ist 94%iger, der oft mit irgendwelcher Zuckerpampe gemischt wird. Allerdings ist auch Dynamit im Angebot, was man hier in großen Mengen ohne Probleme kaufen kann.

Entsprechend vorbereitet kann man also die Mine betreten und ein paar Arbeitern beim Schuften zuschauen.

Wir durften Zeuge werden, wie ein Arbeiter, der seit 47 Jahren im Berg tätig ist, mühsam von Hand ein Loch in den Felsen haut und dann mit ein bisschen Sprengstoff füllt. Wir durften uns schon vor der Sprengung entfernen - der Minenarbeiter musste aber die Lunte anzünden und entsprechend wegrennen. Der Knall war ob des Halls recht deutlich, das Resultat hingegen konnten wir nicht sehen, weil der entsprechende Bereich voller Staub war und vorerst nicht betreten werden konnte - in weiten Teilen der Mine gibt es kein Belüftungssystem. Nur in den Hauptgängen gibt es das. Dafür steht in diesen aber meisten auch eine Lache aus hochgradig arsenverseuchtem Wasser - wo das so hinfließt will ich gar nicht wissen.

Nach der Sprengung fanden wir uns im Jesusstollen ein und durften uns ein paar Anekdoten anhören, während der Kumpel rauchte und einen Haufen Alkohol trank. Am schockierendsten fand ich, dass es innerhalb des Berges zwischen den einzelnen Arbeitergruppen regelmäßig Gefechte um hochwertige Silberadern gibt, die gelegentlich auch mit Dynamit geführt werden. Außerdem gab es noch einen Nachtrag aus der Ritualeabteilung: Beim Trinken muss immer zuerst ein Schluck für Mutter Erde verkippt werden und dann noch ein zweiter um El Tio zu besänftigen - Jesus kriegt nichts ab. Ich fand es im Übrigen etwas bedenklich, dass ein paar der anderen Besucher sich ebenfalls sofort dazu eingeladen fühlte erst mal zu rauchen.

Unser Guide mixt den Schnaps mit der bunten Zuckerpampe.

Danach kletterten wir noch einen anderen Gang lang und uns wurde eine etwas größere Sprengung vorgeführt, welche, so wurde uns bestätigt, eigentlich auch noch eher klein sei. Der Knall und die Staubwolke war aber dennoch ziemlich deutlich.

An anderer Stelle durften wir dann sehen, wie Arbeiter gesprengtes Material mit einer einfachen Kurbel und einem Seil nach oben beförderten und wir durften uns selbst mal dran probieren. Das war zwar auch ungemein schwer, aber meines Erachtens auch ziemlich blödsinnig. Schon beim ersten Mal zuschauen, war mir klar, wie man das einfacher und schneller machen könnte, aber unser Guide konnte meinen Ausführungen dazu nicht so ganz folgen - der hatte aber auch schon ordentlich was getrunken.

Nachdem wir unsere restlichen Geschenke für die Minenarbeiter abgeladen hatten, ging es wieder nach draußen.

Eigentlich ja schockierend, was da abläuft und wie da Generationen von Leuten immer wieder das gleiche machen, wie diejenigen vor ihnen. Vor ein paar Jahren waren mal ein paar Wissenschaftler da und haben sich das angesehen. Ihr Fazit: Da die dort völlig ohne Plan oder Gesamtsystem sprengen (oftmalls wissen die Arbeiter ja nicht, wo andere Gruppen ihre Gänge haben), wird der Berg wohl früher oder später einfach zusammenstürzen. Unser Guide nahm das allerdings nicht so ernst - funktioniere ja schon seit Ewigkeiten so.

Hoffen wir mal, dass dem Berg das Silber eher ausgeht, als die Statik.